Montag, 14. Juni 2010

Maastricht Klimakterium

Wie war man in Europa stolz, dass mit dem Euro auch so strenge Stabilitätskriterien, die so genannten Maastricht-Kriterien, eingeführt wurden. Wehe, wehe, wenn sich ein Land nicht dran hielte. Dann, ja dann, ruft die EU Kommission „Defizitverfahren“ und daraufhin fallen dem EU-Amtsschimmel vorne und hinten Blaue Briefe heraus. Die EU-Verordnung Nr. 1056/2005 legt fest, dass

Zwischen der Meldung der Haushaltsdaten, die das Bestehen eines übermäßigen Defizits belegen, und dem Beschluss, Sanktionen zu verhängen, dürfen in der Regel nicht mehr als 16 Monate liegen.


Wenn der betreffende Mitgliedstaat aber gemäß den Empfehlungen des Rates tätig wird, ruht das Defizitverfahren und man hat mehr als 16 Monate Zeit, bis eine Sanktion droht. Es kam noch nie zur Verhängung einer Sanktion wegen eines Defizitverfahrens. Das bedeutet, dass das System entweder ganz phantastisch funktioniert, oder aber gar nicht. Schauen wir doch mal auf die Zahlen der letzten fünf Jahre für die zwei dauerhaften Stabilitätskriterien. Diese legen fest, dass

1) das öffentliche Defizit nicht mehr als 3% des Bruttoinlandprodukts (BIP)

und

2) der Schuldenstand nicht mehr als 60% des BIP

betragen soll. Die beiden folgenden Tabellen zeigen die Lage der letzten fünf Jahre (Quelle: Eurostat), wobei die gelb hinterlegten Felder einen Verstoß gegen das jeweilige Maastrichtkriterium anzeigt.

Zunächst widmen wir uns dem Defizitkriterium:



Nur fünf Länder haben es in den letzten fünf Jahren geschafft nie mehr als 3 % Defizit zu produzieren (Dänemark, Schweden, Finnland, Luxenburg und Estland). Nur diese Länder haben halbwegs ausgeglichene Haushalte zu Wege gebracht, in denen die Ausgaben die Einnahmen höchstens um 3% des BIPs übertrafen. Griechenland und Ungarn haben in den letzten fünf Jahren das Defizitkriterium nie erfüllt, Polen hat es in vier, der vergangenen fünf Jahren nicht eingehalten und das Vereinigte Königreich, Portugal und Italien haben die Marke in drei von fünf Jahren gerissen.

Kommen wir jetzt zum Schuldenkriterium:




Acht Länder hatten in jedem der letzten fünf Jahre Schulden, die höher waren, als 60% ihres BIPs (Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Malta, Portugal, Ungarn). Dafür hatten 13 Länder immer weniger Schulden, darunter (vielleicht überraschende?) Länder wie Bulgarien, Polen, Rumänien, oder Spanien.

Wenn man sich das so ansieht, fragt man sich, ob die Maastrichtkriterien überhaupt ernst genommen werden können? Vielleicht sollte man, aber die wenigsten machen es. Im Jahr 2009 reißen fast alle EU-Länder das Defizitkriterium, außer fünf. Jetzt könnte man sagen, das sei in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eben so. Aber wenn man sich ansieht, welches die fünf Länder sind, die selbst im Krisenjahr 2009 weniger als 3% Defizit produzierten trifft man auf Dänemark, Schweden, Finnland, Luxenburg und Estland. Moment mal, das sind dieselben Länder, die in den gesamten letzten fünf Jahren immer weniger als 3% Defizit hatten. Diese fünf hatten auch nie mehr als 60% Schulden.
Mich bedünkt, dass es zwar normal ist, in Wirtschaftskrisen ein höheres Defizit zu haben, aber diese Defizite, werden umso höher ausfallen, je schlechter die Haushaltspolitik der vorhergehenden Jahre war. Ja, es scheint tatsächlich so gewesen zu sein, dass ein Großteil Europas über seine Verhältnisse gelebt hat und die Maastrichtkriterien konnten das so wenig verhindert, wie ein Sieb Wasser halten kann. Im Moment ist es wieder in Mode, über einen Wechsel von der laschen zu einer resoluten Einhaltung der Kriterien zu diskutieren. Es bleibt zu hoffen, dass nach den Wechseljahren der Maastrichtkriterien die Haushaltspolitik der EU-Länder aufhört, weiter so alt auszusehen.

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